Intubation mit Relaxierung – Sux oder Roc?

Intubation mit Relaxierung – Sux oder Roc?

Wird im Rettungsdienst eine Narkose eingeleitet, so ist grundsätzlich davon auszugehen dass der Patient

  • nicht nüchtern ist > Ileus-Einleitung (RSI)
  • eine Intubation / Atemwegssicherung zwingend erforderlich ist

Der erste Punkt zieht nach sich, dass eine Narkoseeinleitung unter Verwendung von Relaxantien (NMBA) erfolgen sollte. Die Verwendung von NMBAs führt ebenso zu verbesserten Intubationsbedingungen (u. a. 1).

Als Relaxantien stehen eine Vielzahl von Medikamenten zur Verfügung. Man unterscheidet zwischen depolarisierenden und nicht-depolarisierenden Muskelrelaxantien. Die in der Notfallmedizin am häufigsten verwendeten:

  • Succinylcholin (depolarisierend)
  • Rocuronium (nicht-depolarisierend)

Succinylcholin wurde bisher weitestgehend favorisiert; nicht zuletzt wegen der schnellen Anschlagzeit (ca. 45 sec.) sowie der kurzen Wirkdauer (ca. 5 – 8 min.). Dies führte oft zu der gängigen Meinung „na die Zeit kann ich auch mit dem Beutel überbrücken, sollte ich den Tubus nicht rein bekommen“; widerspricht jedoch dem im ersten Absatz genannten Punkt „Atemwegssicherung zwingend erforderlich“, da dieser dann auch nicht gesichert ist. Ein konsequentes Vorgehen bis zum Erreichen des Zieles ist erforderlich (siehe auch Atemwegsalgorithmus). Die kurze Wirkdauer kann auch dazu führen dass während der Intubation die Relaxierung nachlässt. Des weiteren birgt Succinylcholin einige weitere Gefahren und Probleme in sich:

  • Auslösen einer malignen Hyperthermie
  • Hyperkaliämie (kontraindiziert bei Verbrennung (> 24 h), längerer Liegedauer, ↑ Kalium)
  • Steigerung des ICP
  • O2-Verbrauch durch globale Muskelkontraktion bei Depolarisation

In Studien wurde nachgewiesen dass die Zeit bis zum gefährlichen Abfall der Sauerstoffsättigung bei Verwendung von Succinylcholin im Vergleich zu Rocuronium um ca. 20 sec. schneller von statten geht (2); bei adipösen Patienten sogar um bis zu 46 sec. (3)! Zeit welche bei einem Intubationsversuch wertvoll sein kann. Bei Patienten mit schwerem SHT ist die Verwendung von Succinycholin mit einer gesteigerten Mortalität verbunden; 44 % vs. 23 % bei Nutzung von Rocuronium (4). Auch wenn diese Studie nur einen Zusammenhang und keine Ursache von erhöhter Mortalität bei schwerem SHT in Verbindung mit Succinycholin aufzeigt, liegt diese evtl. in der Hirndrucksteigerung sowie dem schnelleren SpO2-Abfall und einer dadurch entstehenden Hypoxie begraben.

Rocuronium als nicht-depolarisierendes Relaxanz wurde bisher wie oben bereits erwähnt vor allem wegen der langen Wirkdauer (30 – 45 min.) sowie der längeren Anschlagzeit (1,5 – 3 min.) sehr zurückhaltend verwendet worden. Bessere Bedingungen zur RSI lassen sich durch eine Dosierung von 1,2 mg/kg/KG statt der bisher empfohlenen 0,6 mg erreichen. Die Anschlagzeit verkürzt sich, es muss jedoch mit einer längeren Wirkdauer gerechnet werden. Die Vorteile entstehen durch den Wegfall der o. g. Nachteile des Succinylcholins. Die Relaxierungsdauer ist für die Durchführung der Atemwegssicherung sichergestellt. Im Gegensatz zu anderen nicht-depolarisierenden Relaxantien bietet Rocuronium auch den Vorteil keine Histaminfreisetzung zu erwirken.

Sollte es wirklich notwendig sein den Patienten nach der erfolgreichen Atemwegssicherung aus der Relaxierung zurück zu holen um z. B. eine neurologische Beurteilung vorzunehmen (evtl. bei Status Epilepticus oder SHT) kann Rocuronium als nicht-depolarisierendes NMBA mittels Sugammadex (Biridion®) schnell und vollständig antagonisiert werden.

Vergleicht man nun Succinylcholin und Rocuronium unter den oben aufgeführten Aspekten scheint sich der gerade im Umlauf befindliche Spruch etablieren zu können…

Sux sucks – Roc rocks!

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Rocuronium wie auch Succinylcholin eigentlich im Kühlschrank zu lagern ist und somit ein weiteres Argument für den Einbau eines kleinen Kühlschrankes im Rettungsmittel vorhanden ist! Die Nutzbarkeit der Medikamente außerhalb des Kühlschrankes verkürzt sich immens.

Aus Arzneimittel Fachinfo:

  • Succinylcholin  Injektionslösung (je nach Hersteller 1 Woche bei unter 25 Grad / bis 12 Wochen bei max. 30 Grad)
  • Rocuronium Injektionslösung nicht außerhalb des Kühlschrankes lagern (je nach Hersteller gar nicht / bis zu 12 Wochen bei max. 30 Grad)

 

(1) Moiser JM et al (2015) Neuromuscular blockade improves first-attempt success for intubation in the intensive care unit. A propensity matched analysis. Ann Am Thorac Soc. 2015 May;12(5):734-41. doi: 10.1513/AnnalsATS.201411-517OC

(2) Taha SK et al (2010) Effect of suxamethonium vs rocuronium on onset of oxygen desaturation during apnoea following rapid sequence induction. Anaesthesia. 2010 Apr;65(4):358-61. doi: 10.1111/j.1365-2044.2010.06243.x

(3) Tang L et al (2011) Desaturation following rapid sequence induction using succinylcholine vs. rocuronium in overweight patients. Acta Anaesthesiol Scand. 2011 Feb;55(2):203-8. doi: 10.1111/j.1399-6576.2010.02365.x

(4) Patanwala AE et al (2016) Succinylcholine Is Associated with Increased Mortality When Used for Rapid Sequence Intubation of Severely Brain Injured Patients in the Emergency Department. Pharmacotherapy. 2016 Jan;36(1):57-63. doi: 10.1002/phar.1683

3 Gedanken zu „Intubation mit Relaxierung – Sux oder Roc?

  1. Anmerkungen: Es werden teilweise sogar 1,6 mg/kgKG Rocuronium zur RSI empfohlen. Bis zu 2,9 mg/kgKG wurden keine vermehrten Nebenwirkungen festgestellt.
    Succinylcholin gibt es als Trockensubstanz, nicht kühlpflichtig, aber im Notfall zeitraubend.
    Rocuronium ist zwölf Wochen ungekühlt (bis 30°C) haltbar.

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    1. Vielen Dank für Ihren konstruktiven Kommentar. Bzgl. der Dosierung von Rocuronium bis zu 2,0 mg7kg/KG wäre ich um einen Literaturhinweis dankbar.
      Auch bei Rocuronium ist die Haltbarkeit Hersteller abhängig. Ich habe soeben nochmals in der Fachinfo Datei recherchiert. Die Info diesbezüglich wird im Artikel überarbeitet.

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