Opiatintoxikation – Naloxon immer notwendig?

Opiatintoxikation – Naloxon immer notwendig?

Überdosierungen und damit eine Vergiftung durch Opiate können aus verschiedensten Gründen passieren. Zum einen  z. B. durch Medikamentenüberdosierung. Zum anderen aber auch durch die gezielte Zuführung hoher Dosen zum Erreichen eines Rauschzustandes mit Unterschätzung der Wirksamkeit durch den Süchtigen.

Die gefährliche Problematik ist jedoch immer die gleiche. Durch die Belegung der Opiatrezeptoren kommt es neben der Bewusstseinsveränderung bis zum Koma auch zur zentralen Hemmung des Atemantriebes mit Bradypnoe bis hin zum Atemstillstand mit Abfall der SpO2 bis zur ausgeprägten Hypoxie. Der normale Kompensationsmechanismus den Sättigungsabfall mit einer Tachypnoe auszugleichen ist auf Grund der zentralen Hemmung nicht gegeben.

Dies wäre auch schon der erste signifikante Hinweis auf eine evtl. Opiatvergiftung. Unser Körper ist normalerweise nicht darauf programmiert eine SpO2 von zum Beispiel 70 % mit einer Atemfrequenz von 5 oder 6 zu beantworten. Das aber wohl markanteste Anzeichen für das Vorliegen einer Opiatintoxikation ist eine ausgeprägte Miosis. Selbstverständlich ist oftmals auch schon alleine das noch vorzufindende Spritzenbesteck oder auch auf dem Körper angebrachte Medikamentenpflaster u. a. wegweisend.

Die Hauptproblematik stellt bei allen Formen der Überdosierung weniger die Bewusstseinsveränderung als die Hemmung der Atmung und somit der Hypoxiegefahr dar.

Ein probates Antidot ist der Wirkstoff Naloxon welcher ein kompetitiver Antagonist am Opiatrezeptor ist. Hierzulande als i.v. Medikament in der Regel in der Dosierung von 0,4 mg/ml in 1 ml Ampullen in Gebrauch. In den USA ist Naloxon inzwischen auch als Nasenpray zugelassen. Beide Formen sind dort auf Grund einer massiven Problematik mit Rauschmitteln in regem Gebrauch und werden sogar durch die Polizei und Ersthelfer eingesetzt. Dies führt jedoch auch regelmäßig zu Problemen und Diskussionen da es bei falsch verstandener Anwendung zur Entzugssymptomatik mit randalierenden Patienten kommt.

Relativ frühzeitig in meinem rettungsdienstlichen Schaffen habe ich festgestellt, dass es bezüglich der Behandlung von Opiatintoxikationen, meist bei Süchtigen, zweierlei Lager gibt. Das eine steht auf die Anwendung von Naloxon, das andere Lager zieht eine prinzipielle Intubation bei Atemproblematik; meist eben aus Angst des anschließenden Randalierens des Patienten.

Meine Meinung hierzu und auch mein Vorgehen im Rettungsdienst in Absprache mit den dazukommenden Kollegen der ärztlichen Zunft ist, wenn immer möglich, folgendes….

  • Ist der Patient bewusstseinsgetrübt, hat jedoch eine suffiziente Eigenatmung → Seitenlage, Monitoring, Transport ins Krankenhaus
  • Bewusstlos und Atemdepression → Assistierte Beatmung mit Beutel, Monitoring, Naloxon (0,4 mg auf 4 ml verdünnt langsam 0,5 ml weise) titriert bis suffiziente Eigenatmung und gute SpO2 gehalten wird, Transport ins Krankenhaus

‚Eine grundsätzliche Intubation bei Hemmung der Atmung auf Grund einer akzidentiellen Überdosis halte ich persönlich nicht für den richtigen Weg. Sie ist grundsätzlich mit Risiken, gerade im präklinischen Bereich, verbunden. Der im Rettungsdienst immer als nicht nüchtern einzustufende Patient erhöht dieses Risiko noch um einiges. Eine kurzfristige, vorsichtige Maskenbeatmung bis zum gewünschten Wirkungseintritt des Naloxon ist meines Erachtens weniger risikobehaftet. Bei vorsichtiger und mit etwas Geduld verbundener Titrierung wird man den Patienten vielleicht zwar wach bekommen, jedoch nicht in den Entzug befördern. Ich kann mich auf jeden Fall nicht erinnern, dass ein Drogensüchtiger aus diesem Grund bei einem meiner Einsätze jemals zu randalieren begann.

Wie ihr merkt, gehöre ich also eher dem Naloxon zugewendetem Lager an. Wobei das Augenmerk immer auf der Schiene der Atmung und nicht zwingend einem wachen Patienten liegen sollte. Um die Frage in der Überschrift also zu beantworten… Nein, Naloxon ist nicht immer notwendig, hilft aber die Eigenatmung herzustellen und eine Intubation zu vermeiden.

Zwingend muss man jedoch wissen, dass Naloxon eine geringere Halbwertszeit als die Opiate hat und es somit zu einem Rebound der Opiatwirkung mit erneuter Atemproblematik kommen kann! Eine engmaschige Überwachung für einige Zeit ist also auf jeden Fall angebracht.

Mich würde auch Eure Erfahrung bzw. Euer Vorgehen bei diesem Patientengut interessieren.

Ein Gedanke zu „Opiatintoxikation – Naloxon immer notwendig?

  1. Hallo zusammen
    Ich bin Notfallsanitäter und Praxisanleiter in Frankfurt am Main.
    Auch in dieser , doch ziemlich Drogenpopulären Stadt , gibt es verschiedene Lager aber keines welche dieses Patientenklientel per ITN in eine Klinik fährt. (Soviel Beatmungsbetten hat keine Stadt)
    Wir bevorzugen die hochdosierte O2 Gabe, meist bekommt man die Überdosiskandidaten damit schon hin.
    Sind sie Apnoeisch hilft einige Minuten mit 100% O2 Beatmen über Maske sehr gut.
    Die meisten Drogennotfälle passieren in den „Druckräumen“, in denen geschultes Personal mit solchen Maßnahmen bereits eine sehr gute Vorarbeit leistet.
    Erst wenn dies alles nicht fruchtet wird zu Naloxon gegriffen
    Schritt 1: 1Amp. Subkutan
    Schritt 2: 1Amp. i.v
    durch die Subkutane Gabe fängt man die Wirkdauer der Opiate gut auf und die Patienten werden so gut wie nie ins Krankenhaus verbracht.
    Vorteil ist das wir ebenfalls durch diese Vorgehensweise nur selten Naloxon verabreichen und damit keine Rauschzustände zerstören, damit bleiben wir in der Szene auch weiterhin die „Guten“.
    Lg

    Lasse Niemann

    Like

Hinterlasse einen Kommentar