Es wird ja immer gefordert, und dies auch zurecht, die Basismaßnahmen korrekt und vollständig auszunutzen bevor wir mit weiteren Therapieoptionen eskalieren. Dies macht Sinn und schützt den Patienten sowie uns, soweit diese ausreichend hilfreich sind, auch vor eventuellen Nebenwirkungen und Gefahren der dann weiterführenden Maßnahmen.
Eine dieser Basismaßnahmen ist bei den meisten Schockformen der Therapieversuch mittels Lagerung. Hierzu stehen die Trendelenburg Position (Ganzkörperschräglage) oder das sogenannte „passive leg raising“ (PLR) bei welchen ausschließlich die Füße hochgelagert werden (hierzulande als Schocklage bekannt) zur Verfügung. Hintergedanke ist die Rückführung des in den unteren Extremitäten vorhandenen Volumens und damit verbunden eine Verbesserung oder gar Stabilisierung der Kreislaufsituation. Diese Lagerung sollte laut gängiger Vermittlung grundsätzlich als Erstmaßnahme ergriffen werden; auf jeden Fall aber bevor ein peripherer Zugang gelegt und Volumen substituiert wird. Triff man auf eine Rettungsdienstbesatzung welche einen Zugang gelegt und Volumen substituiert hat, der Patient aber nicht mit den Füßen nach oben gelagert ist, vernimmt man oft die Unmutsäußerungen der nachrückenden Kräfte.
Was aber sagt eigentlich die derzeitige Datenlage bezüglich der Wirksamkeit dieser Maßnahme?
Eine systematischen Review Arbeit von Ballesteros-Peña et al [1] kam zu dem Schluss dass die derzeitige Datenlage zu unsicher ist um die Aussage zu treffen das die Trendelenburg Position für einen kreislaufinstabilen Patienten einen Vorteil bringt.
Neben dieser Schlussfolgerung wird anderweitig auch auf die mit der Trendelenburg Position verbundenen Komplikationen bzw. Nebenwirkungen hingewiesen [2]; unter anderem folgende:
- Angst / Agitation
- zunehmende Atemnot
- Hypoventilation u. Atelektasenbildung
- Erhöhung des ICP durch Kopftieflage
- erhöhte Aspirationsgefahr durch Regurgitation
Des weiteren ist der kurzfristige Anstieg des Blutdruckes incl. MAP vor allem bei der Trendelenburg Position meist nur von kurzer Dauer. Beim gezielten Anheben der Beine (PLR) konnte zumindest ein Anhalten der verbesserten Kreislaufsituation von länger als einer Minute aufgezeigt werden. So konnte hier eine Steigerung des CO um 6 % von 2,91 L/min auf 3,08 L/min für einen 2 – 10 Minuten Zeitraum aufgezeigt werden [3]. Dennoch ist die anhaltende Therapie alleine durch „Füße hoch“ mit keinerlei Evidenz belegt und das PLR Manöver eher als diagnostischer Test zur Detektierung einer Volumenresponse zu finden.
Die komplette Körperschräglage mit Kopf nach unten dürfte also auf Grund der bisherigen Literatur als Therapie des Schocks eher nicht geeignet sein und evtl. sogar mit nicht erwünschten Nebenwirkungen einhergehen. Das alleinige Anheben der Beine (30 Grad oder mehr) kann zumindest überbrückend für eine Rückführung von 120 – 300 ml Volumen und damit verbunden einer kurzfristigen CO und MAP Erhöhung führen.
Die Literatur bleibt jedoch eine endgültige Evidence der therapeutischen Wirksamkeit schuldig. Und auch die ERC Guidlines [4] geben folgendes zum Thema Lagerung eines sich im Schock befindlichen Patienten wieder:
„Optimal position for a shock victim
Place individuals with shock into the supine (lying on back) position. Where there is no evidence of trauma use passive leg raising to provide a further transient (<7 min) improvement in vital signs; the clinical significance of this transient improvement is uncertain.“
Also auf gut Deutsch gesagt -flach auf den Rücken lagern-
Physiologisch vergleichbar und erklärbar sein dürfte der nur sehr kurzfristige Erfolg in Bezug auf eine positive Blutdruckveränderung auf der selben Ebene des Versagens der MAST.
Das Ganze also eher Mythos als sinnvolle Therapie? Kurzfristig überbrückend evtl. mit Erfolg verbunden, am ehesten im Rahmen von vaso-vagalen Ereignissen. Bei realem Volumenmangel im Gefäßbett aber eher nicht als Therapie erfolgversprechend [5]. Die DIVI Sektion „Schock“ gab in ihrer Stellungnahme [6] zu einem Artikel in der Zeitschrift Rettungsdienst aus 2011 [7] jedoch an diese trotzdem durchzuführen. Es herrscht also auch in der deutschen Literatur bestenfalls Uneinigkeit in dieser Angelegenheit. Alles in allem sollte man also vielleicht etwas Zurückhaltung mit negativen Äußerungen gegenüber Kolleginnen und Kollegen üben welche sofort einen Volumenbolus verabreicht haben ohne den Patienten auf den Kopf gestellt zu haben.
Hier noch das Ergebnis einer kurzen, sicher nicht repräsentativen Umfrage in der #FOAMed und #FOAMems Twitter Gemeinde zu diesem Thema….
51 % aller Teilnehmer geben an weder die Trendelenburg Position noch das passive Anheben der Füße im Rahmen einer Schocktherapie derzeit noch enzusetzen.
[2] Guthrie K, Trendelenburg Position for the Hypotensive Patient. Life in the Fastlane 26.07.2011
[7] Scheineichen F, Kühl F, Schocklage – das Ende einer Legende? Rettungsdienst 2011, 34: 540–546